Unkraut. Weckt dieses Wort unangenehme Gefühle? Vielleicht sogar Hass auf diese unbesiegbaren Störenfriede? Verzweiflung, den Kampf niemals gewinnen zu können? Oder hast du schon resigniert aufgegeben?
Ja, diese Gefühle kenne ich auch. Aber was ist eigentlich Unkraut?
Und was sagt dieser Begriff über deine Sicht auf Pflanzen und damit auch über deine Sicht auf deinen Garten aus?
Wie würde sich dein Verhältnis zu deinem Garten verändern, wenn es kein Unkraut mehr gäbe?
Können Begriffe helfen, neu über Gärten nachzudenken?
Und musst du manchmal einfach nur unsere Sprache ändern, um neue Perspektiven zu gewinnen?
Komm mit in die Welt der (Un-)Kräuter und lerne weitere spannende Synonyme kennen. Lass dich überraschen von den Definitionen. Verstehe, was die Verwendung der Begriffe mit deinem Verständnis von Garten macht und wage einen neuen Blick auf deinen Garten.
Dieser Artikel ist mein Beitrag zur #unkrautblogparade: GRÜNE REBELLEN IM GARTEN.
Unkraut – der Feind in meinem Garten
Unkraut, der Inbegriff des bösen, hinterhältigen Ungeheuers, das sich in deinen Garten schleicht, um dir das Leben zur Hölle zu machen.
Neutraler gibt es diese Definition wieder: „Unkraut“ ist die „Gesamtheit von Pflanzen, die zwischen angebauten Pflanzen wild wachsen [und deren Entwicklung behindern].“ [Definitionen von Oxford Languages]
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Landwirtschaft. Er bezieht sich auf Pflanzen, die als Konkurrenten aller Pflanzen angesehen werden, die auf dem Feld wachsen sollen. Diesen nehmen die Unkräuter Licht, Wasser oder Nährstoffe weg.
Diese Definition gilt auch für den Garten. Hier geht es meist um Ästhetik: Hast du in deinem Garten Blumenbeete angelegt, vielleicht extra Erde und Dünger gekauft, damit sie sich wohlfühlen?
„Unkraut ist die Opposition der Natur gegen die Regierung der Gärtner.“
Oskar Kokoschka 1886 – 1980
Und nun wuchert überall das unerwünschte Unkraut: Es stört deine schöne Komposition. Und das Schlimmste: Es wuchert nicht nur im Beet, sondern auch im Rasen, in Pflasterfugen, in jeder Ritze, die es findet.
Du siehst: Die Beurteilung, ob eine Pflanze als Unkraut gilt, liegt im Auge des Betrachtenden. Sie wird stark von ästhetischen Gesichtspunkten beeinflusst.
Meine Top 3 der Unkräuter, geordnet nach ihrer Lästigkeit in meinem Garten:
1. Quecke
2. Löwenzahn
3. Giersch
Aber was sagt uns diese kleine Vorsilbe „Un-“? Mit ihm bekommt das noch relativ neutrale „Kraut“ eine negative Bedeutung. Dieses Kraut scheint weit von dem normalen Maß „was ein Kraut sein darf“ abzuweichen. Ja, mit diesem „Un“ scheint den so bezeichneten Pflanzen unterschwellig das Lebensrecht abgesprochen zu werden.
Was sagt dieser Begriff über deine Beziehung zu deinem Garten aus?
Siehst Du den Feind in Deinem Garten? Kannst du noch entspannt in die Beete schauen oder springt dir das Unkraut von allen Seiten entgegen? Siehst du vor lauter Unkraut den Garten nicht (mehr)?
Dann wird es Zeit, dich darin zu üben, den Begriff „Unkraut“ in deinem Sprachgebrauch zu ersetzen. Was hältst du von „Beikraut“ oder „Wildkraut“?
Lies weiter und erfahre, wie sie die Beziehung zu deinem Garten positiv beeinflussen können.
Beikraut – es gesellt sich was dazu
Das Wort „Unkraut“ ist in manchen Kreisen nicht mehr gebräuchlich. Oft wird stattdessen der Begriff „Beikraut“ verwendet. In eine ähnliche Richtung gehen die Begriffe „Begleitgrün“ oder „Begleitkräuter“.
„So haben sich beispielsweise Begriffe wie ,Beikraut‘ oder ,Kulturbegleitkräuter‘ etabliert, die ganz nüchtern beschreiben, worum es geht: Pflanzen, die neben den gezielt kultivierten (also durch uns Menschen angepflanzten) Pflanzen wachsen.“
Hannah von einbisschengarten
Sie begleiten etwas anderes, nämlich die eigentlichen Stars in deinem Garten, z. B. die Stauden.
Was sagt dieser Begriff über deine Beziehung zu deinem Garten aus?
Der Begriff ist sachlicher als „Unkraut“. Er ist weniger abwertend. Etwas weniger aggressiv.
Hier schaust du vielleicht erst einmal, was in deinem Garten passiert und wartest ab, was sich von selbst zu deinen Gartenblumen gesellt.
Bist du schon so entspannt, dass die aktiv gepflanzten und die plötzlich aufgetauchten Pflanzen nebeneinander existieren können? Solange sie den Blumen, die du gesetzt hast, nicht die Schau stehlen, darf die eine oder andere Pflanze sogar bleiben?
Deine persönliche Herausforderung ist es, die Balance zu halten: Du schaust kritisch, was kommt, was bleiben darf und was gehen muss. Solange deine Lieblinge im Rampenlicht stehen und sie nicht von aufdringlichen Beikraut-Rebellen bedrängt werden.
Wildkräuter – die grünen Rebellen: unabhängig und selbstbewusst
Statt Unkraut oder Beikraut findet sich immer häufiger der Begriff „Wildkraut“ oder „Wildpflanze“. Er betont die Eigenständigkeit und Besonderheit der „Kräuter“.
Wildkräuter sind alle krautigen Wildpflanzen, die nicht züchterisch verändert wurden. Der Gegensatz wären „Kulturpflanzen“.
Für mich spricht dieser Begriff des „Wildkrauts“ der Pflanze nicht das Lebensrecht ab oder degradiert sie zum Beiwerk. Vielmehr rückt er die Eigenständigkeit dieser Blume mit ihren besonderen Qualitäten in den Mittelpunkt.
Es sind die Pflanzen, die hier heimisch sind, die wild wachsen und deren Qualitäten als Nahrungsmittel oder Heilmittel vielfach anerkannt wurden.
Was sagt dieser Begriff über deine Beziehung zu deinem Garten aus?
Wildkräuter sind „grüne Rebellen“, deren Unabhängigkeit bewundernswert ist. Wenn du den Begriff „Wildkraut“ verwendest, gönnst du ihnen wahrscheinlich ihren selbstbewussten Auftritt in deinem Garten.
Du kennst ihre Qualitäten sowohl für den Menschen als auch für die heimische Tier- und Insektenwelt. Viele Insekten haben sich auf bestimmte Wildkräuter spezialisiert, sie brauchen sie zum Überleben.
Deine Herausforderung: Klar, manchmal verirrt sich ein schönes Wildkraut an den falschen Ort. Im besten Fall verpflanzt du es an einen neuen Standort, an dem es seine Rebellion voll entfalten kann. Dort wird es dann gebührend gefeiert!
„Geniale Pflanzen“ – die Spürnasen
Die Bewunderung steckt schon im Namen! Aber wie kommt man* dazu, diese Pflanzen genial zu nennen?
Diese Pflanzen sind so genial, dass sie auf jeden Fall ihren bevorzugten Standort finden: Nährstoffreiche Böden, die ausreichend feucht gehalten werden. Genau so, wie sie in unseren Gärten vorherrschen.
Und diese perfekten Bedingungen für diese Pflanzen schaffen du und ich in der Regel in unseren Gärten selbst. Mit Dünger, Vertikutieren und der richtigen Bewässerung bereiten wir ihnen die Bühne für ihren großen Auftritt.
Warum tun wir das alles für Pflanzen, die wir eigentlich gar nicht haben wollen? Weil die Pflanzen, die wir bewußt in unsere Gärten holen, oft genau diese Bedingungen brauchen.
Meist sind es exotische Pflanzen wie Hortensien, Rhododendren, Rosen, Funkien, Dahlien oder Geranien. Sie überleben in unseren Breiten nur mit der entsprechenden Unterstützung. Und darüber freuen sich auch die genialen Pflanzen.
Was sagt dieser Begriff über dein Verhältnis zu deinem Garten aus?
Benutzt du den Begriff „geniale Pflanzen“? Bist du von ihrer Anpassungsfähigkeit beeindruckt? Diese Definition verändert definitiv den Blick auf die Pflanzen in deinem Garten.
Sie sind die Spürnasen ihrer bevorzugten Lebensbedingungen. Du kannst ihre Genialität neidlos anerkennen.
Viele Unkräuter, Beikräuter und Wildkräuter sind sogenannte „Zeigerpflanzen“. Sie verraten dir, welche Nährstoffe in diesem Bereich vorhanden sind, ob ein Standort sehr nass ist usw.
Am Beispiel meiner Top 3 der Unkräuter siehst du, dass die Quecke einen Stickstoffüberschuss anzeigt und auf unausgeglichene Standortbedingungen hinweist. Ein weiterer Stickstoffzeiger ist der Löwenzahn. Er kommt auf verdichteten, nassen und humusreichen Böden vor. Auch der Giersch liebt gedüngte, also nährstoffreiche Böden. Er fühlt sich besonders wohl, wenn der Boden zudem schattig und feucht ist.
Deine Herausforderung oder deine Frage: Wie entkommst du dem Dilemma? Mit ihrem Spürsinn überschwemmen sie deinen Garten und rauben den anderen Pflanzen den großen Auftritt.
Hier hilft ein Blick über den Tellerrand deines Gartens hinaus: Gibt es die genialen Pflanzen wie Quecke, Löwenzahn und Giersch auf artenreichen Blumenwiesen?
Nein, denn sie siedeln sich eher in nährstoffreichen oder feuchten Böden an. Blumenwiesen haben diese Merkmale nicht. Wenn du genialen Pflanzen also nicht in deinem Garten haben willst, musst du die Standortbedingungen aktiv verändern.
Versuche es doch mal mit einem Magerbeet. Kein guter Mutterboden, sondern karge Kiesbänke. Schau, was passiert. Hierhin wird sich kaum Quecke, Löwenzahn oder Giersch verirren.
Hier kannst du einheimische Spezialisten pflanzen (oder warten, bis sie zu dir kommen). Diese Pflanzen – bekannt aus artenreichen Wildblumenwiesen – machen deinen Garten zu etwas ganz Besonderem. Und ziehen ebenso besondere Insekten an, die genau diese Pflanzen brauchen.
Schlussfolgerung
Im Blogbeitrag hast du gesehen, dass die Benennung von Pflanzen immer von Menschen gemacht ist. Diese Begriffsverwendung formt unsere Sicht auf Pflanzen. Ihnen mit dem Begriff „Unkraut“ das Lebensrecht abzusprechen und sie zu Ungeheuern zu degradieren, tut vielen dieser „genialen Pflanzen“ in meinen Augen unrecht.
Du hast erfahren, dass die Begriffe „Unkraut“, „Beikraut“, „Wildkraut“ oder „geniale Pflanze“ immer auch deinen Blick und dein Verhältnis zu deinem Garten prägen. Sie beeinflussen, wie entspannt du durch deinen Garten gehen kannst und wie du mit der „Spontanbegrünung“ durch die grünen Rebellen umgehst. Jede dieser Sichtweisen bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich, die es in deinem Garten zu bewältigen gilt.
Die „genialen Pflanzen“ haben dir gezeigt, dass manchmal ein Perspektivenwechsel zu einem neuen Ergebnis führt: Verändere die Standortbedingungen in deinem Garten, um dem „Unkraut“ den idealen Boden zu entziehen. Schaffe in deinem Garten ein Umfeld, in dem sich seltene heimische Wildkräuter gerne ansiedeln. Und mit ihnen eine Fülle an Wildbienen, Schmetterlingen und vielen weiteren Insekten. 💚
Und jetzt: Ab in den Garten! 💪🌱
Disclaimer
In der Natur hat jede Pflanze ihren Platz.
Es gibt aber Pflanzen, die wirklich große Probleme bereiten, wenn sie sich ungehindert in Breitengraden vermehren, in denen sie nicht heimisch sind. Diese würde ich tatsächlich als „Unkraut“ bezeichnen.
Dazu gehören für mich der Schmetterlingsflieder oder Sommerflieder und die Forsythie. Weitere Pflanzen, die im Garten und in der Natur großen Schaden anrichten können, habe ich in dieser NO-BUY-LISTE zusammengestellt.
*Die Verwendung des Begriffs „geniale Pflanzen“ im Zusammenhang mit Unkraut/Beikraut/Wildkraut stammt von Markus Gastl in „Mehr Natur im Garten“, S.16 f, Ulmer, 2021.
Ich freue mich über deine definitorische Kleinarbeit! Ich würde den ästhetischen Aspekt, dass Beikräuter den Kulturpflanzen und Wildblumen die Show stehlen, um die Eigenschaft mancher Beikräuter ergänzen wollen, dass sie invasiv sind aufgrund ihrer Rizome oder Ausläufer. In meinem Naturgarten kommt diese „Invasion“ an Stellen vor, ohne dass die Erde dort je gedüngt wurde oder wird und die ich schon mit Kies abgemagert habe. Wenn dort Rosen und Wildrosen auch wachsen dürfen, müssen sie mit dem lehmigen schweren Boden unserer Region zurechtkommen – und das tun sie auch. Gegen die invasiven Beikräuter hilft dann doch nur jäten und eingrenzen, ohne sie auszurotten. Und vielleicht, wie du schreibst, Antje, weiter den Boden abmagern. Denn: Das Unkraut ist auch deshalb Unkraut genannt worden, weil es den anderen Pflanzen -;wiederum aufgrund derer Eigenschaften, die sie im Wettbewerb schwächer machen – Schaden zufügen. Und zwar, indem sie ihnen das Lebensrecht streitig machen und sie sie schlicht überwuchern. Ich glaube, dass auch das Naturgärtnern die Aufgabe an uns Gärtnerinnen und Gärtner stellt, Gleichgewichte zu schaffen und selber Zonen zu definieren, wo wir etwas laufen lassen, wie weit diese Zonen sich ausbreiten dürfen und wo wir eben tatsächlich Schaden an anderen, weniger kompetitiven Pflanzen verhindern müssen. Ich möchte dafür plädieren, den Aspekt des Schadens an anderen Pflanzen in die Definition des Beikrautes aufzunehmen.
Liebe Helena,
vielen Dank für deinen ausführlichen und durchdachten Beitrag zu meinem Blogpost! Deine Ergänzung zu den definitorischen Überlegungen speziell zu „Beikraut“ habe ich gerne aufgenommen.
Besonders wertvoll finde ich an dieser Stelle deine persönlichen Erfahrungen aus deinem Naturgarten und wie du die Herausforderungen mit invasiven Unkräutern/Beikräutern meisterst. Deine Herangehensweise, diese „Invasion“ einzudämmen und zu jäten, ohne sie komplett auszurotten, ist sowohl pragmatisch als auch respektvoll gegenüber der Natur.
Besonders unterstreichen möchte ich deinen Appell, dass naturnahes Gärtnern nicht nur das Schaffen von Gleichgewichten erfordert, sondern auch das Definieren von Zonen. In diesen Zonen lassen wir die Natur etwas mehr walten, müssen aber gleichzeitig verhindern, dass weniger konkurrenzfähige Pflanzen in Bedrängnis geraten.
Vielen Dank, dass du deine Gedanken und Einsichten geteilt hast. Dein Beitrag bereichert die Diskussion und ermutigt dazu, den Umgang mit der Natur noch achtsamer und verantwortungsvoller zu gestalten.
Liebe Grüße
Antje
Unkräuter – ein spannendes Thema. Danke für die super Aufarbeitung.
Für mich sind Unkräuter die Pflanzen, die ich nicht in meinem Garten haben möchte.
Der erste Grund dafür wäre: Sie richten in der Natur schaden an, weil sie invasive Neophyten sind. Für mich die schlimmsten Unkräuter. Diese Pflanzen würde ich bei mir als Unkräuter einstufen, aber in einem anderen Teil der Welt, der in dem sie heimisch sind, sind sie willkommen.
Dann kommen dazu noch Pflanzen, die mehr oder weniger nutzlos sind, sie schaden vielleicht nicht unbedingt, nutzen den heimischen anderen Organismen aber zu wenig, sie nehmen den Platz weg, dafür ist mein Garten zu klein.
Der zweite Grund: Sie nehmen Überhand, sind zu stark und verdrängen andere Pflanzen zu sehr. Das heißt am Anfang des Gartens, in dem sich noch sehr viel entwickelt, entnehme ich solche Pflanzen – da sind sie für mich Unkräuter, später, wenn sich ein Gleichgewicht eingestellt hat, dürfen sie bleiben. Beispiel bei mir orangerotes Habichtskraut, Huflattich…Sehr ausbreitungsstarke Pflanzen müssen immer weg, wenn ich sie erwische: Giersch, Quecke, kriechender Hahnenfuß, oder die vielen Ableger von den Wildgehölzhecken.
Der dritte Grund: Sie passen nicht zu dem Standort, an den ich sie gesetzt habe. Es erfordert zu viel Pflege und Ressourcen sie dort zu halten (Dünger, Gießen, oder Schlimmeres).
Liebe Annette,
Danke für diese differenzierte Betrachtung von Unkräutern und dein positives Feedback!
Deine drei genannten Gründe sind sehr hilfreich, um Unkräuter in unterschiedliche Kategorien einzuteilen. Besonders sinnvoll ist, den Einfluss auf die Umgebung zu berücksichtigen.
Deine klare Unterscheidung zwischen invasiven Neophyten, übermäßig starken Pflanzen und solchen, die einfach nicht zum Standort passen, trifft es auf den Punkt. Das Thema der „invasiven Neophyten“ habe ich nur kurz am Ende des Beitrags angesprochen. Aber genau deine Einschätzung teile ich!
Bemerkenswert finde ich, dass sich die Sicht auf ein „Kraut“ auch ändern darf, je nachdem, in welchem Entwicklungsstadium sich der Garten befindet.
Der Ansatz, Unkräuter nach einem ausgewogenen Prinzip zu entfernen oder eben zu tolerieren, macht in meinen Augen eine nachhaltige naturnahe Gartengestaltung aus.
Liebe Grüße
Antje